Windmühlen im Médoc

Die Windmühle von Vensac in einer seitlichen Ansicht, bei der an der rechten Turmseite der Balken gut zu sehen ist, mit dem der Turmaufsatz mit den Flügeln gedreht wird.

Windmühlen waren neben Wassermühlen in der vorindustriellen Zeit die leistungsfähigsten und am weitesten verbreiteten Vorrichtungen, die es erlaubten, ohne den Einsatz von menschlicher oder tierischer Muskelkraft größere Maschinen anzutreiben. Die Anfänge der Wind- beziehungsweise Wassermühlen liegen im Dunkel der schriftlosen Vorgeschichte, doch geht man davon aus, dass die grundlegenden Erfindungen für Windmühlen schon vor mehr als 5000 Jahren gemacht wurden. Ort dieser Entwicklung war mal wieder der sogenannte fruchtbare Halbmond, also grob gesagt der östliche Rand des Mittelmeeres samt Hinterland. Die Römer waren Meister im Bau von Wassermühlen, doch kannten sie die Windmühlen nicht. Die kamen erst im Hochmittelalter in das westliche Europa und erreichten dort schnell und schon früh eine technische Blüte.

Im Médoc verbreiteten sich besonders die Windmühlen, da es dort nur wenig Standorte für den erfolgreichen Betrieb von Wassermühlen gab.

Windmühlen erreichen dann ihren höchsten Wirkungsgrad, wenn der Wind frontal auf die Flügel auftrifft, die über eine Getriebekonstruktion die Maschinerie im Innern in Bewegung setzen. Aus diesem Grund muss also dafür gesorgt werden, dass die Ausrichtung der Flügel an die jeweilige Windrichtung angepasst werden kann. Das kann bei kleineren Mühlen damit erreicht werden, dass der gesamte Mühlenkörper um einen Drehpunkt geschwenkt wird, wie das z.B. bei Bockwindmühlen geschieht, deren Leistungsvermögen jedoch begrenzt ist, weil immer der komplette Mühlenkörper bewegt wird, der aus Gewichtsgründen nicht über eine bestimmte Masse hin ausgedehnt werden kann.

Bei den Turmwindmühlen, bei denen nur die oberste Haube bewegt wird, in der die Flügel gelagert sind, können die Flügel größer dimensioniert werden und demzufolge eine höhere  Leistung erreichen. Aus der Notwendigkeit, die Haube drehen zu können, ergibt sich die runde Form des Mühlenkörpers und auch die Erfordernis, im Eingangsbereich zwei sich gegenüberliegende Türen vorzusehen, da der Zugang zur Mühle immer möglich sein muss. Wenn es nur eine Tür gäbe, könnten vor dieser je nach Windrichtung die Flügel kreisen und damit die Tür unerreichbar machen. Die Windmühlen im Médoc gehörten, soweit man das heute noch feststellen kann, dem Typ der Turmwindmühlen mit beweglichem Dachaufsatz an.

Die historische Forschung hat es nicht leicht, wenn sie sich ein Bild machen will von der Rolle, die die Mühlen in einem bestimmten Gebiet, wie z. B. dem Médoc vor dem 18. Jahrhundert gespielt haben. Da es damals keine Register oder ähnliche Verzeichnisse gab, in denen man nachlesen könnte, wo und wann es Mühlen gab und da die Errichtung von Mühlen zu den eher alltäglichen Dingen gehörte, über die nur selten Schriftliches überliefert wurde, sind unsere Möglichkeiten recht begrenzt, hier zu vollständigen und exakten Ergebnissen zu kommen. Am ergiebigsten sind in dieser Beziehung Landkarten, die, wenn sie sorgfältig ausgeführt worden sind, zumindest Aussagen darüber ermöglichen, wo zum Zeitpunkt der Kartenserstellung Mühlen bestanden haben. Naturgemäß erfährt man dabei jedoch nur ausnahmsweise etwas über den Zeitpunkt, an dem eine Mühle errichtet wurde, während es in diesem Fall naturgemäß keine Anhaltspunkte dafür gibt, wann diese   Mühle aufgegeben wurde,.

Die Kartographen, die in dieser Beziehung gute Arbeit geleistet haben, haben im ausgehenden 17. Jahrhundert angefangen, in ihre Karten die Standorte von Windmühlen einzutragen. Die ältesten der hier interessierenden Arbeiten stammen von Claude Masse (1652 – 1732), der seine Karten ab 1688, also zur Regierungszeit Ludwigs XIV. veröffentlichte. Danach wurden die Kartierungen immer detailreicher, so dass sie zusätzliche Angaben über die Standorte von Mühle preisgaben. Wesentliche zusätzliche Informationen lieferten auch die seit der Zeit Napoleons I. vorliegenden Katasterunterlagen und die im 19. Jahrhundert erstellten Generalstabskarten. Insgesamt haben im 18. und 19. Jahrhundert rund 380 Mühlen im Médoc bestanden, von denen allerdings drei Viertel gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts abgetragen worden sind, ohne weitere Spuren zu hinterlassen.

Die große Zeit der Windmühlen endete im Médoc in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Aufkommen leistungsfähiger Anlagen mit Dampfmaschinenantrieb, die unabhängig von der Wetterlage betrieben werden konnten. Damit verschwand auch der für die Turmwindmühlen charakteristische runde Gebäudetyp, der für andere Verwendungen nur begrenzt geeignet war.

Gegenwärtig ist die Windmühle bei Vensac die einzige vollständig erhaltene und noch funktionsfähige Turmwindmühle. Bei einzelnen anderen Mühlen werden mehr oder weniger umfangreiche Rekonstruktionsanstrengungen gemacht, die sich in der Regel auf die Wiederherstellung des äußeren Erscheinungsbildes beschränken. Bie den meisten Mühlen, von denen noch Überreste zu sehen ist, sieht man nur noch den Turmstumpf, manchmal mit einem an den Originalzustand erinnernden Dach, häufiger jedoch ohne. Von vielen Mühlen haben sich, wenn die Erinnerung nicht vollständig erloschen ist, nur Straßen- oder Wegesnamen erhalten.

In der Zeit vor der Französischen Revolution (1789) waren Mühlen Bestandteil der vom Adel geprägten ländlichen Strukturen, denn die Landbevölkerung war verpflichtet, ihr Getreide in bestimmten Mühlen mahlen zu lassen, wofür der Müller einen Teil des Mehls einbehielt und seinerzeit Abgaben an den grundbesitzenden Adel zu leisten hatte. Mit der Abschaffung der Adelsprivilegien schon in der Frühphase der Revolution entfiel dieser Zwang, aber die Mühleninhaber verloren dadurch nur wenig von ihrer Stellung, denn sie gehörten weiter zu dem kleinen Teil der ländlichen Bevölkerung, der relativ wohlhabend war.

In den ersten Jahrzehnten nach der Mitte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der Windmühlen im  Médoc rapide zurück. Es wurden auch keine neuen Mühlen mit Windantrieb mehr errichtet. Möglicherweise haben die etwas gleichzeitig wirksam werdenden Aufforstungsarbeiten im Küstenbereich dabei eine Rolle gespielt und die Betriebsbedingungen für die Mühlen verschlechtert. Feststeht jedenfalls, dass die bestehenden Windmühen schnell ausser Betrieb gestellt wurden und die Gebäude entweder dem Verfall preisgegeben oder als Lieferant für Baumaterial genutzt wurden, so dass ein großer Teil der Mühlenbauten, ohne viele Spuren zu hinterlassen, verschwand .

 

Bilder zu Windmühlen im Médoc

Seitenansicht der Mühle von Vensac

 

Blick in die Mechanik im Inneren der Mühle von Vensac. Gut zu sehen die Welle, auf die die Flügel wirken und das Zahnrad, mit dem die Windkraft auf die Mahlsteine im unteren Teil der Mühle übertragen wird.

Ausrangierte Mühlsteine an der Mühle von Vensac, die aus Gewichtsgründen aus mehreren Teilen bestehen

 

Der Turm der Windmühle bei Saint-Trélody mit einem Dach, das dem Originaldach nachempfunden wurde.

Die andere Seite des Turms der Windmühle bei Saint-Trélody mit der obligatorischen zweiten Tür

 

Beim Château Haut Barrail in Begadan ist der Mühlenturm mit einem Dach versehen worden. Die dem Betrachter zugwandte Tür ist zugemauert worden.

 

Beim Château Moulin ist das Hauptgebäude an den funktionslos gewordenen Turmstumpf angebaut worden.

Bei der Abtei de L’Île bei Ordonnac ist nur der Turmstumpf erhalten. Das Dach fehlt.

 

Beim Château La Tour de By ist auf dem funktionslos gewordenen Stumpf eines Windmühlenturms ein neuer Aufsatz errichtet worden, der rein dekorative Zwecke hat.

Von der Windmühle von Dauganan am Rand von Grayan ist materiell nichts mehr vorhanden. Lediglich die Erinnerung an die Mühle hat sich im Straßennamen erhalten.