Die Römer im Médoc
Es ist ein Gerücht, dass die Römer Gallien erobert hätten, um in den Besitz des Médoc und seiner Weine zu gelangen. Tatsache ist jedoch, dass der Motor der Eroberung Galliens ein Herr namens Caesar war, der mit dieser Eroberung durchaus persönliche Ziele verfolgte, zu denen nicht zuletzt die Lösung seiner finanziellen Probleme gehörte. Der Herr hatte sich nämlich in Rom in gewaltige Schulden gestürzt, um sich beliebt zu machen und Anhänger zu gewinnen.
Unter Caesars Oberbefehl wurden in den Jahren 58 bis 51 v. Chr., ganz Gallien und die linksrheinischen Gebiete erobert (natürlich ohne das bekannte Dorf, in dem Asterix &Co Römer verprügelten und Wildschweine vertilgten). Damit war auch das Médoc unter römische Herrschaft gelangt. Zu den ersten Maßnahmen, die die Römer in den Gebieten ergriffen, die sie auf Dauer behalten wollten, gehörte der Ausbau eines leistungsfähigen Straßennetzes, das gleichsam das Rückgrat der römischen Herrschaft bildete. Auf diesen Straßen konnten mit einer für damalige Verhältnisse großen Geschwindigkeit Nachrichten und staatliche Anordnungen und Befehle verbreitet werden. Und nicht zuletzt konnten Truppen schnell und vergleichsweise ungehindert verlegt werden. Die durchschnittliche tägliche Marschleistung der Legionäre betrug zwischen 20 und 25 km (iter iustum). In Ausnahmefällen konnten 40 und mehr Kilometer am Tag (iter magnum) zurückgelegt werden. Und ohne Truppen ließen sich Eroberungen nicht dauerhaft sichern.
Die Römer trafen im Médoc auf eine einheimische Bevölkerung, die sich gern auf das einließ, was die neuen Machthaber mitbrachten. Dennoch legten auch hier die Römer eine strategisch wichtige Straße an, die von Bordeaux aus bis in die Nordspitze des Médoc führte. Diese Straße ist allerdings nur in Teilen mit dem heutigen Straßensystem identisch, weil zur Römerzeit große Teile des Médoc Sümpfe und Überschwemmungsgebiete waren, in denen sich Straßen, die den Anforderungen der Römer entsprochen hätten, nicht anlegen ließen
Im Zusammenhang mit den römischen Straßenbauten entstand im Médoc der Vorläufer der heutigen D 1215 (bzw. ihrer Abkömmlinge). Sie hieß Lebadia und führte von Burdigala (Bordeaux) zur Pointe de Grave. Da die Römer nicht nur beim Straßenbau eher konservativ waren, bauten sie ihre Straßen so, dass sie Generationen ohne Reparatur überstehen sollten. Daher bekamen sie einen Unterbau, der großzügiger bemessen war als bei mancher modernen Straße. Zur Haltbarkeit und Dauerhaftigkeit römischer Straßen trug ebenfalls bei, dass sie eine festen Belag bekamen, den es zur Zeit Caesars nirgendwo sonst gab.
Römerstraßen waren nach heutigem Verständnis relativ schmal, genügten aber dem damaligen Verkehrsbedarf gut. Sie sind in weiten Teilen Europas, soweit sie einst länger unter römischer Herrschaft standen, Grundbestand des Straßennetzes geworden und noch heute unter den modernen Straßen nachweisbar.
Nachdem der Straßenbau im Médoc dank Römerhilfe erfolgreich gestartet war, war es möglich, an dafür geeigneten Stellen große Gutshöfe anzulegen, die die Römer villae nannten, worunter sie jedoch etwas verstanden, was mit einer heutigen Villa nicht viel gemeinsam hatte. Die villae der Römerzeit produzierten in erster Linie Getreide und auch Schlachtvieh, das vorwiegend mit Booten auf dem Wasserwg dorthin geschafft wurde, wo Bedarf bestand, also z. B. nach Burdigala, dem heutigen Bordaux. Einen besonderen Ruf hatten die Austern aus dem Médoc, von denen unter anderem Ausonius schwärmen konnte. Die Erfindung der Médoc-Weine passierte aber erst geraume Zeit später. Da das in ein anderes Kapitel gehört, werden wir später darauf zurückkommen.
Neben den fortschrittlichen Anbau- und Wirtschaftsformen in der Landwirtschaft brachten die Römer ihre Architektur mit, die es ihnen erlaubte, steinerne Großbauten zu errichten, von denen sich bis auf den heutigen Tag bedeutende Reste erhalten haben. Als Nebenprodukt überlagerte die Sprache der neuen Herren die regionalen Idiome, auch das hat mit den romanischen Sprachen bis heute nachwirkende Spuren hinterlassen.