Zwei Denkmalsschicksale
Europäer lieben es, sich ihrer historischen Identität zu vergewissern, und dabei spielen Denkmale eine bedeutsame Rolle. Der Lebenslauf der meisten Monumente ist relativ einförmig: sie werden beschlossen, gebaut, eingeweiht und danach muss man dafür sorgen, dass sie bei Bedarf aufgefrischt werden.
Manchmal verlaufen die Dinge aber nicht so geradlinig wie sich beim Denkmal für die Girondisten in Bordeaux und beim Denkmal für die entscheidende Rolle der Amerikaner im ersten Weltkrieg zeigt. Beider Schicksale haben eine deutsche Komponente, doch das wird sich erst später zeigen.
Über diese beiden Denkmale wollen wir hier in der chronologischen Folge ihrer Erbauung berichten.
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Das Denkmal für die Girondisten in Bordeaux
Wir verfahren chronologisch und stellen das ältere Denkmal zuerst vor. Das ist das dem Andenken der Girondisten gewidmete Monument, das die Esplandade des Quinconces in Bordeaux beherrscht und das an die Französische Revolution und besonders an das Schicksal der Vertreter der Gironde erinnert. Es wurde nach langwierigen Diskussionen und Kontroversen in den Jahren von 1894 bis 1902 errichtet. Neben der zentralen Säule, auf der der Genius der Freiheit die Fesseln der Unterdrückung sprengt, fallen zwei große Figurengruppen aus Bronze auf, deren eine die Republik und ihren Sieg verherrlicht, während die andere der Eintracht gewidmet ist.
Das Denkmal der Girondisten. Am Fuß die südliche Figurengruppe, die die Republik verkörpert.
1942 kaufte die Commission de récupération des métaux non-ferreux im Auftrag und für Rechnung der deutschen Besatzungsmacht die Figuren der beiden Becken des Denkmals an und am 14. August 1943 wurden sie demontiert, um den Weg in das Reich zu nehmen. Da beim Demontieren offenbar sehr vorsichtig verfahren wurde, wird mancherorts angenommen, dass die 52 Tonnen schweren Bronzeteile nicht unbedingt eingeschmolzen werden sollten. Genaues weiß man allerdings nicht. Nachdem die Figuren demontiert worden waren, wurde sie auf Eisenbahnwaggons verladen und in Richtung Deutschland abgefahren. Unter Umständen, die bis heute nicht aufgeklärt sind, kam der Transport nur bis Angers, und dort blieb er, wie vergessen, bis zum Ende der Kampfhandlungen. Mehr zufällig wurden die Bronzen dann entdeckt und auf den Weg nach Bordeaux gebracht. Dort kamen sie am 5. Juli 1945 an, wo ihnen, wie die Zeitungen berichteten, ein triumphaler Empfang bereitet wurde. Doch anders, als man hätte annehmen können, wurden sie nicht unverzüglich an ihren angestammten Plätzen wiederaufgebaut, sondern sie wurden, kaum begreiflich, vergessen. Erst 1972 entdeckte man sie wieder, weil sie den Zugang zu einem Gebäude versperrten, das abgetragen werden sollte.. Da dies nicht möglich war, solange die Bronzefragmente im Wege standen wurden sie Stück für Stück 30 m zur Seite geräumt, und dort blieben sie noch ein paar Jahre. Erst 1980 fasste der Stadtrat von Bordeaux den Entschluss, die Figuren an ihren ursprünglichen Standort zurückkehren zu lassen. Und dann brauchte es noch eine Reihe von Monaten, bevor im Januar 1983, also und 40 Jahre nach der Demontage die beiden Figurengruppen dort wieder ihren Platz gefunden haben, wo sie bei der Einweihung des Monuments gestanden hatten.
Wenn man ältere Abbildungen, die vor dem Abbau der Figuren im Jahre 1943 gemacht worden sind, mit aktuellen Aufnahmen vergleicht, dann lassen sich bei genauerem Zusehen Unterschiede feststellen. Die wohl am deutlichsten wahrnehmbaren findet sich in der südlichen Figurengruppe, die zum Theater weist. Da stellt sich nämlich heraus, dass der dominierenden Gestalt dieser Gruppe, die die Republik verkörpert, etwas abhanden gekommen ist. Sie hielt in der ursprünglichen Figurengruppe in der rechten Hand eine Kugel, auf der drei Gestalten standen, die die Begriffe Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit verkörperten. Und diese Gestalten fehlen der aktuellen Figurengruppe. Über ihren Verbleib weiß man nichts Genaues. Es gibt Gerüchte, dass sie vor einiger Zeit auf einer Auktion in den USA gesehen worden seien und dort den Besitzer gewechselt hätten, wobei man über den Erwerber offenbar nichts weiß.
Die südliche Figurengruppe in ihrem originalen Zustand, aufgenommen um 1900
Dieselbe Figurengruppe, aufgenommen 2014
Ausschnitt aus der originalen Gruppe, achten Sie auf die rechte Hand der Republik. Die Figuren auf der Kugel stellten die Freiheit, die Gleichheit und die Brüderlichkeit dar, also die drei zentralen Begriffe der Revoltion von 1789.
Die Figurengruppe auf der Kugel in der rechten Hand der Republik ist verschwunden.
Perspektivenwechsel. Noch eine Postkarte aus der Fühzeit des Denkmals.
Auch aus dieser Blickrichtung ist der Platz auf der Kugel leer.
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Das zweite Denkmal mit einem besonderen Schicksal
Port Bloc an der Pointe de Grave vor 1935 (kolorierte Postkarte). Das hohe Gebäude etwas links von der Bildmitte ist das hier noch im Bau befindliche Memorial Lafayette, dem nur ein kurzes Leben beschieden war.
Das Mémorial Lafayette an der Pointe de Grave
In Erinnerung an den Kriegseintritt der USA im Jahre 1917 auf der Seite Frankreichs und seiner Verbündeten hatten einige Politiker in Frankreich die Idee, ein Denkmal zu errichten, das sowohl an den Kriegseintritt der USA 1917 als auch an den Marquis de Lafayette erinnern sollte, der sich 1777 aufgemacht hatte, den Unabhängigkeitskampf der formal noch englischen Kolonien in Nordamerika gegen England zu unterstützen. Lange glaubte man, Lafayette sei von der Pointe de Grave aus gestartet. Heute sind sich die Historiker ziemlich einig, dass er aus Pauillac oder aber aus Bordeaux absegelte.
Die finanziellen Mittel für das Denkmal sollten teils aus der Staatskasse, zum größeren Teil aber aus Spenden aufgebracht werden. Der Entschluss zur Errichtung war unumstritten. Schnell wurde ein Architekt beauftragt, der ein Bauwerk von 67,70 Höhe und 39,90 m Breite an der Basis entwarf. Am 6. September 1919 wurde vom Staatspräsidenten Raymond Poincaré der Grundstein gelegt, und alles schien wie geplant zu verlaufen. Tatsächlich blieben aber die eingeplanten Spenden weitgehend aus, und der Bau machte nur spärliche Fortschritte. Erst 1926 wurde wirklich mit den Arbeiten begonnen, die sich aber noch über Jahre hinzogen. Am 4. September 1938 fand dann mit großem militärischem Aufwand die Einweihung statt. Anwesend war auch John F. Kennedy, der spätere Präsident der USA , als Vertreter seines Vaters, damals Botschafter in Großbritannien.
Am 30. Mai 1942 sprengten deutsche Truppen das Denkmal, angeblich weil es nicht mehr als Orientierung für feindliche Flieger beim Anfliegen der Girondemündung dienen sollte.
Fünf Jahre später, am 30. Mai 1947 wurde eine Erinnerungsstele eingeweiht, auf der das Versprechen fixiert ist, das Denkmal wieder zu errichten. Bislang ist es dazu nicht gekommen. Bis heute kursieren auch unterschiedliche Angaben zur Höhe des ehemaligen Denkmals.
Zur Schreibweise des Namens des Marquis de La Fayette: Neben dieser Schreibweise findet man auch La Fayette (zwei Wörter) oder Lafayette oder LaFayette.
Das Denkmal in Totalansicht
Aufnahme eines deutschen Soldaten von der Fähre aus
Der obere Teil des Monuments, ebenfalls von einem deutschen Soldaten abgelichtet.
Und schließlich der untere Teil mit der kompletten Inschrift:
„Dem Ruhm der Amerikaner. Den Soldaten des Generals Pershing, Verteidiger desselben Ideals von Recht und Freiheit, das die Freiwiiligen Lafayettes nach Amerika führte.“
Das Denkmal nach der Sprengung
Die 1947 errichte Stele zur Erinnerung an das Monument
Vor der Stele: oben: 1777 La Fayette
unten: Die amerikanische Legionen 1917
Die auf der Stele ausgedrückte Erwartung, dass das Denkmal wieder errichtet werden sollte, hat sich auch 100 Jahre nach der Grundsteielgung nicht erfüllt. Lange Zeit sah es an der Stele so aus, als ob sich niemand um sie kümmerte, doch haben sich 2019 Stimmen gemeldet, die den Wiederbaufbau anregen.