Médoc 1700

Das Médoc um 1700

Das Médoc ist eine Gegend, in der im Vergleich zu anderen Regionen Frankreichs selten Ereignisse sattgefunden haben die außerhalb Interese und Beachtung gefunden hätten. Demzufolge ist die Berichterstattung über das Médoc ziemlich dürftig. Über lange Zeiträume ist man hier auf mehr oder weniger zufällige Funde und Überlieferungen angewiesen, die damit verbundene Informationen oft nur Fachleuten preisgeben, die sie dann einem breiteren Publikum vermitteln.

Vor dem Hintergrund dieser Kargheit ist das Werk von Claude Masse (1652 -1737), der unter anderem das Médoc kartographiert hat, eine Quelle von besonderem Rang, auf die wir uns ausgiebig beziehen. Masse hat nicht nur die Topographie der von ihm bereisten Gegenden bearbeitet, sondern in seine Karten eine große Fülle von Informationen eingetragen, auf die noch einzugehen sein wird. Zusätzlich hat er einen kommentierenden Bericht über Land und Leute angefertigt, der gute Möglichkeiten liefert, sich Vorstellungen von den  Lebensbedingungen im Médoc zu machen.

Dabei fällt wohl zuerst auf, dass das Aussehen des Médoc um 1700 vom Médoc der Gegenwart so weit verschieden ist, dass man kaum glauben mag, dass es sich um dieselbe Gegend handelt. Das fängt damit an, dass um 1700 die küstennahen Dünen noch nicht durch Bepflanzungen fixiert sind, sondern, vom Wind getrieben, in das Innere des Landes drängen und dabei alles mit Sand zudecken, was sie auf ihrem Weg vorfinden. Ansiedlungen im Dünenbereich gibt es nicht, sie hätten in den Wirtschaftsformen um 1700 und bei dem noch unentwickelten Straßennetz auch keine Chance gehabt zu überleben.

Die Kiefernwälder, die heute das Aussehen des Médoc prägen, existieren noch nicht. Ein großer Teil der Flächen wird meist für längere Zeit überschwemmt und ist dann nicht passierbar. Es gibt nur wenige Landverbindungen zwischen den meist kleinen Ansiedlungen, und die sind, weil sie keinen festen Oberbau haben, nur bei günstigen Wetterbedingungen nutzbar. Ein Straßennetz, auf dem Güter transportiert und  ausgetauscht werden könnten, gibt es noch nicht. An der nördlichen Spitze des Médoc gibt es noch Salzgärten, die jedoch vom Sand bedroht werden und teilweise schon unbrauchbar geworden sind. An der Girondeseite existiert noch kein durchgehender Deich, der das dahinter liegende Land vor den regelmäßig wiederkehrenden Überschwemmungen mit salzigem Wasser geschützt hätte. Dafür gibt es aber an mehreren Stellen die Möglichkeit, mit flachgehenden Booten auf natürlichen oder künstlich angelegten Entwässerungskanälen in das Landesinnere zu gelangen.

Masse berichtete, dass das nördliche Médoc sich relativ wenig über den Meeresspiegel erhebe und bis auf  die Dünen ziemlich eben sei. Es gebe wenig kultivierte Flächen mit Ausnahme der trockengelegten Feuchtgebiete bei Saint Vivien und Jau. Bei den anderen kleinen Orten des nördlichen Médoc gebe es nur kleine ladwirtschaftlich genutzt Flächen unmittelbar um die Ortsmittelpunkte herum. Die Böden seien wenig fruchtbar und gäben nur dann zufriedenstellende Erträge, wenn intensiv gedüngt würde. An Mist sei allerdings kein Mangel, da es große Viehbestände gebe, die  in den Heideflächen und Feuchtgebieten geweidet würden. Daneben gebe es kleinere Flächen auf denen Wein angebaut werde. Es gebe im nördlichen Médoc keine Städte oder größere Orte. Oft bestünden die Orte nur aus zwei oder drei Häusern in der Nähe der Kirche.

Soulac sei der bedeutendste Ort im nördlichen Médoc. Es gebe dort eine recht große Kirche. Die Einwohner hätten jedoch stark unter dem vorrückenden Sand zu leiden, der die Äcker und die Salzgärten bedecke. Als Folge seien die Erträge der Salzgärten, die die Haupteinnahmequelle von Soulac seien, stark zurückgegangen.

Talais sei eine Pfarrei, die nichts Besonderes aufzuweisen habe. Sie sei von Feuchtgebieten umgeben und im Winter nur schwer zu erreichen. Saint Vivien und Vensac seien zwei „gute“ Pfarreien, über die aber ebenso wie über Grayan und L’Hôpital nichts Besonderes zu sagen sei, außer dass sie von Heideflächen umgeben seien. Der Boden um Jau, Dignac und Loirac, die noch nicht miteinander verbunden waren, werde gut bewirtschaftet. Über die meisten Orte gebe es außer den Kirchen nichts zu berichten. Zwei Pfarreien, Saint Nicolas nördlich von Soulac ud Lillan seien vom Sand der Dünen zugedeckt worden und damit erloschen.

Die Küstenlinie, so berichtet Masse, erhebe sich nur zwei bis zweieinhalb Meter über den Meeresspiegel. Dahinter gebe es nur dürre Heideflächen, aus denen hier und da einige recht hohe Wanderdünen herausragten.

Das Gelände an der Garonne (heutzutage würde man von der Gironde sprechen) liege recht tief, so dass das Meer oft die küstennahen Bereich überschwemme. Diese Feuchtgebiete könnten nur als minderwertiges Weideland genutzt werden, das zudem einen großen Teil des Jahres nicht zugänglich sei. Manche dieser Feuchtgebiete wirkten im Winter wie Teiche, was auch für Teile der niedrig gelegenen Heidflächen gelte.  Dennoch seien diese Flächen  geeignet, dort Vieh weiden zu lassen. Die landwirtschaftlich wertvollsten Flächen im nördlichen Médoc seien die ab 1642 trockengelegten Feuchtgebiete bei Saint Vivien, die durch den Chenal de Saint Vivien entwässert würden. Im Uferbereich der Garonne gebe es viele prielähnliche Abflüsse, die nicht schiffbar seien und unvermittelt irgendwo endeten. Lediglich der Chenal de Saint Vivien sei für flachgehende Boote schiffbar, die Getreide oder andere landwirtschaftliche Produkte transportieren könnten. Auch der Chenal de Soulac könne von flachen Booten befahren werden, die eingesetzt würden, um das Salz aus den Salzgärten von Soulac nach Bordeaux zu bringen.

Die Bewohner des nördlichen Médoc seien im allgemeinen recht arm, sie gingen meist barfuß und nur wenige besäßen Hüte.

Die Gegend sei besonders im Bereich der Heidflächen dünn besiedelt. Die einzige Nutzungsmöglichkeit dieser Flächen bestehe darin, Kühe, Ziegen und Schafe, mitunter auch ein paar Pferde auf den Heideflächen weiden zu lassen. Das geschehe unter der Aufsicht von Viehhirten, die ein besonders einfaches und entbehrungsreiches Leben führten. Sie kleideten sich vorwiegend in Felle und benutzten Stelzen, einmal, um sich leichter fortbewegen zu könne und um zum anderen, einen größeren Bereich überblicken zu können, was die Kontrolle über die ihnen anvertrauten Tier erleichterte. Diese Viehhirten lebten zu allen Jahreszeiten im Freien, sie schliefen dort, wo sich ihre Herde gerade befand, und manche von ihnen hätten seit Jahren keine Nacht unter einem Dach verbracht.

Die allgemeine Armut der unteren Bevölkerungsschichten zeigte sich auch darin, dass die Opfer von Schiffsuntergängen, die sich immer wieder vor der Küste ereigneten, wenig Aussicht auf Unterstützung und Hilfe hätten, sie müßten eher damit rechnen, dass ihnen die geringe Habe, die sie noch bei sich führten, abgenommen würde und daß ihnen nicht selten Gewalt angetan würde, wenn sie ihren Besitz verteidigen wollten.

Karte 1

Ein Teil des nördlichen Médoc von Le Verdon (am oberen Rand der Karte) bis etwas südlich von Vensac. Der Küstenbereich wird von Dünen eingenommen, die nicht bewaldet sind.  Am rechten Bildrand erkennt man regelmäßige Rechtecke., die Gebiete erkennen lassen, die seit den 40er Jahren des 17. Jahrhunderts trockengelegt worden sind. Die Küstenlinie zur Gironde (hier heißt sie noch Garonne) ist noch nicht durch einen Deich geschützt.

 

Karte 2

Die nördliche Spitze des Médoc. Zu sehen sind die Salzgärten von Le Verdon, die bereits von dem von Westen her vorrückenden Sand zurückgedrängt worden sind. Am unteren Bildrand der Chenal de Soulac, der schiffbare Wasserweg nach Soulac, über den flachgehende Boote das bei Soulac produzierte Salz abtransportierten. Im westlichen Teil dominieren die nahezu vegetationslosen Dünen.

 

Karte 3

Soulac und seine Salzgärten. Links unter dem Namen der Pfarrei Soulac der Hinweis: Paroisse qui se couvre insensiblement par les sables (Pfarrei, die unmerklich vom Sand bedeckt wird). Am rechten Bildrand Hinweise darauf, dass die Landstreifen an der Gironde bei hohen Fluten unter Wasser stehen.

Soulac besteht aber noch, es wir erst 1741 aufgegeben, als die Bewohner vor dem vorrückenden Sand kapitulieren und ein paar Kilometer weiter landeinwärts Le jeune Soulac gründen.

Karte 4

Das Hinterland von Grayan : presque toujours inondé (fast immer überschwemmt)

Karte 5

Talais. Im südlichen Bereich Hinweis auf Weideland, das fast immer unter Wasser steht.

 

  Karte 6

Rechts am Bildrand die Pfarrei von Grayan, deren Hinterland fast immer unter Wasser steht. Am linken Bildrand eine Einbuchtung, die als Ort fr das Anlanden von Schiffen genutzt wurde. Die Dünen im Küstenreich sind baumlos. Nur in der Bildmitte ist ein kleineres Wäldchen zu erkennen.

In der Bildmitte rechts die Pfarrei L’Hôpital. Beim Schwenk nach links sieht man, dass es weder Ansiedlungen noch Verkehrswege gibt, die zur Küste führen.

Etwas unterhalb der Bildmitte der Étang de la Barreyre.

 

Karte 7

Der der Gironde zugewandte Teil des Médoc. Am unteren Bildrand etwa in der Mitte Lesparre. Die regelmäßigen Rechtecke sind seit den 40er Jahren des 17. Jahrhunderts unter der Leitung holländischer Fachleute trockengelegte ehemalige Feuchtgebiete