Tour de l’Honneur

 

Mittelalter pur direkt vor der Haustür

Der Tour de l’Honneur in Lesparre, Überbleibsel einer befestigten Burganlage aus dem 13. Jahrhundert

 

La Tour de l’Honneur de Lesparre

Der massive Festungsturm, der heute Tour de l’Honneur genannt wird, ist Überrest einer aus dem 13. Jahrhundert stammenden Burganlage, die nach und nach verfiel und im 19. Jahrhundert bis auf die heute noch stehenden Teile abgetragen wurde. Er zeugt von der einstigen Bedeutung der Sirie Lesparre, deren Anfänge in die Römerzeit zurückreichen. Von der Lage her war Lesparre, direkt an der alten Römerstraße gelegen, die von Burdigala (Bordeaux) zur Pointe de Grave führte (später in Teilen ihres Verlaufs die N 215), ein wichtiger Platz, der eine zentrale Funktion für die Umgebung hatte. Um 900 n. Chr., einer von Barbareneinfällen geprägten Zeit, wurde in Lesparre an der Stelle eines römischen Tempels, der dem Saturn geweiht war, eine Festungsanlage errichtet, die die Keimzelle des Tour de l’Honneur darstellte.

Als Herren von Lesparre folgten mehrere bedeutende Persönlichkeiten. Karl VII.(1422 – 1461 König von Frankreich) sagte später von Lesparre es sei die älteste baronnie (Herrschaft) der Guyenne, des Südwestens des heutigen Frankreich also. 1415, zur Zeit der Herrschaft der englischen Könige über Aquitanien, wird die baronnie an die englische Krone verkauft und zum Sitz der Regierung der Guyenne erhoben. Nach dem Ende des Hundertjährigen Krieges (1337-1453) und dem damit verbundenen Ende der Herrschaft der englischen Könige über Aquitanien sinkt die Bedeutung von Lesparre, woraus sich auch der Niedergang der Festungsanlage erklärt. Erst unter Napoleon I. wenden sich die Dinge zum Besseren, als der Ort bald nach 1800 zum Sitz einer Unterpräfektur bestimmt wird, die bis heute besteht.

Der Tour de l’Honneur (eigentlich müsste man sagen: die Tour de l’Honneur, weil Tour = Turm im Französischen weiblich ist) ist ein massiver rechtwinkliger Bau von etwa 12 m Seitenlänge und rund 30 m Höhe. Er nahm einst die südliche Ecke der ehemaligen  Festungsanlage ein, die im Grundriss archäologisch gut nachweisbar ist. Heute beherbergt der Tour de l’Honneur ein ansehnlich bestücktes Heimatmuseum, in dem eine Vielzahl von Ausstellungsstücken Rückschlüsse auf die lange Zeit bieten, in der das Médoc besiedelt war, und darüberhinaaus ausführliche Einblicke in die Lebens- und Arbeitsbedingungen der vorindustriellen Zeit ermöglichen. Museum und Turm sind für Besucher zugänglich.

Die Zeit, in der Aquitanien zur englischen Krone gehörte, begann mit der Hochzeit des Landeserbin Eleonore von Aquitanien, die 1152 in zweiter Ehe den zwei Jahre später zum König von England aufgestiegenen Heinrich (II.) Plantagenet heiratete und endete 1453 mit dem Ende des Hundertjährigen Krieges. In diesen rund dreihundert Jahren war Aquitanien in Personalunion mit England verbunden, keinesfalls aber so etwas wie eine englische Provinz. Die meisten Bewohner dürften kaum gemerkt haben, dass ihr oberster Herr ein in London residierender König war. Die Verbindung zur englischen Krone bestand nur in der Person des Königs, daher Personalunion, der von Fall zu Fall Vertraute, meist wohl Engländer in das Gebiet schickte, um nach dem Rechten zu sehen, ansonsten aber kaum in das tägliche Leben der Bewohner eingriff, die weiter ihre alten Rechts- und Religionsgebräuche ausübten. Sie benutzten natürlich ihre Sprache weiter und betrieben Handel und Wirtschaft so wie seit eh und je. Sie hatten sogar manchen Vorteil davon, dass ihr oberster Herr weit weg jenseits des Kanals saß. Dass Steuern den Weg nach England nahmen, war den meisten Menschen wohl eher gleichgültig, denn zahlen mussten sie immer, einerlei ob zugunsten eines Einheimischen oder auswärts residierenden Herrschers. Für Aquitanien war wirtschaftlich die Zeit der Zugehörigkeit zur englischen Krone eher ein begünstigender Umstand, denn der Weinexport in das Inselreich, erreichte in dieser Zeit einen wohlstandbringenden ersten Höchststand, der erst später übertroffen wurde.

Der Tour de l’Honneur aus einer etwas anderen Blickrichtung

 

Ein Rest der einst um die gesamte Anlage gehenden Befestigungsmauer

 

Überbleibsel seitlicher Anbauten

 

Durchbruch durch den stehen gebliebenen Mauerabschnitt

 

Die Wendeltreppe, die  oben auf die oberste Plattform des Turms führt

 

In der Bildmitte die oberste Ebene der Wendeltreppe. Davor Blick auf die Decke der obersten Turmetage.

 

Blick vom Turm auf die Kirchtürme von Lesparre. Links Notre-Dame, rechts St-Trélody

 

Blick vom Turm auf die unmittelbar angrenzenden Flächen. Der Verlauf des Grabens markiert nicht die Umrisse der mittelalterlichen Burganlage.

 

 


Aus erklärbaren Gründen außenbords angebracht: Latrinen. Hinweis darauf, dass der Turtm als Wohnstatt fungierte.

 

Eine Latrine aus der Nähe. Keine Wasserspülung, aber hochwirksame Entlüftung.

 

Der Turm mit den heute vorhandenen Vorbauten, die nur teilweise aus dem Mittelalter stammen.

 

Ein Modell der mittlalterlichen Burganlage, zu sehen in dem im Tour de l’Honneur untergebrachten Museum.

 


Darstellung des Zustandes der auf das Mittelalter zurückgehenden Burganlage in Lesparre aus den 1840er Jahren, kurz vor der Niederlegung der Teile, die hier noch um den Tour d’Honneur herum zu sehen sind.

 

Das Museum im Tour de l’Honneur

Im Inneren  hat der Verein der Freunde des Tour de l’Honneur ein kleines, aber feines Museum eingerichtet, das Exponate von der Vor- und Frühgeschichte bis zum frühen 20. Jahrhundert versammelt. Dabei überwiegen Ausstellungsstücke, die Einblick geben in das alltägliche und berufliche Leben der vorindustriellen Zeit.

 

Szenen aus dem herrschaftlichen Leben …

 

in der mittelalterlichen Burganlage

 

Rückblick in die Steinzeit im Médoc

 

Zeugnisse aus der Kupfer- und Bronzezeit

 

Fischereigerätschaften aus dem 19. und 20. Jahrhundert

 

Ein Mehlsieb

 

 

Ein Gerät, mit dem ein in Lesparre stadtbekannter Messer- und Scherenschleifer bis in sein hohes Alter dafür sorgte, dass Messer, Scheren etc. scharf blieben