Royan im 2. Weltkrieg

 

(Ergänzt und aktualisert: 08. 10. 2016)

Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges war auch für Royan ein tiefgreifender Einschnitt. Der äußerte sich in den ersten Monaten des Krieges vor allem dadurch, dass sich im Stadtgebiet zahlreiche Franzosen niederließen, die  den im Norden und Osten befürchteten Kämpfen ausweichen wollten. Zu ihnen gehörte als vielleicht Prominentester Pablo Picasso, der für einige Monate in Royan lebte und arbeitete.

Das Stadtgebiet von Royan wurde im Juni 1940, nach der Kapitulation der französischen Truppen, von deutschen Verbänden besetzt. Die Zeit der deutschen Besatzung war für die französische Bevölkerung alles andere als angenehm, doch waren die Beziehungen zwischen Besatzern und Besetzten im wesentlichen kühl, aber korrekt. Auch in und um Royan wurden im Zuge der Errichtung des grosspurig Atlantikwall genannten Befestigungssystems, das sich vom Nordkap bis zu den Pyrenäen erstreckte, Bunker und Unterstände gebaut, die, von Ausnahmen abgesehen, noch heute zu finden sind.

Mit der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 wendete sich auch in Frankreich die Lage nachhaltig zuungunsten der deutschen Besatzer. Innerhalb weniger Wochen wurden die Deutschen trotz mancherorts erbitterter Gegenwehr aus dem größten Teil des französischen Staatsgebietes vertrieben. Als im August 1944 Bordeaux befreit wurde, zogen sich die unmittelbar am Atlantik stehenden deutschen Verbände in küstennahe befestigte Bunkerstellungen zurück. Südlich der Girondemündung entstand die sogenannte Festung Gironde Süd, nördlich davon, um Royan herum, wurde die Festung Gironde Nord gebildet, die Verbindung zu dem weiter in deutscher Hand verbliebenen Gebiet um La Rochelle hatte. Für die Alliierten bedeutete das Vorhandensein dieser schwer befestigten deutschen Stellungen beiderseits des Eingangs zur Gironde, dass der Hafen von Bordeaux, den die Deutschen völlig intakt verlassen hatten, nicht für Nachschubtransporte genutzt werden konnte. Eine darüber hinausgehende militärische Bedeutung hatten die deutschen Stellungen beiderseits der Gironde nicht. Eine Gefahr, dass aus diesen Brückenköpfen heraus Offensiven vorgetragen würden, bestand zu keiner Zeit.

Wichtig und besonders für die Franzosen schwer zu ertragen war aber die Tatsache, dass immer noch französischer Boden in deutscher Hand war.

Um dies zu ändern, wurden Vorbereitungen für die Eroberung dieser Festungszonen getroffen. Die Initiative dazu ging von französischer Seite aus, wo Interesse daran bestand, durch einen militärischen Erfolg, der zumindest in den Erdkämpfen von französischen Einheiten errungen werden sollte, das nationale Prestige aufzuwerten. Angesichts des Ausrüstungs- und Bewaffnungsstandes der neu gebildeten französischen Verbände war aber klar, dass diese, auf sich allein gestellt, den schwer befestigten deutschen Stellungen nur unter unvertretbar hohen Verlusten beikommen könnten. Ohne massive Unterstützung durch Luftangriffe erschienen die Risiken für die Angreifer zu groß. Zu derartigen Luftangriffen waren aber nur Amerikaner und Engländer in der Lage. Demzufolge fanden Gespräche und Verhandlungen zwischen hohen französischen Offizieren und dem Oberkommando der alliierten Luftstreitkräfte statt, in deren Folge Royan auf die Liste der alliierten Ziele gesetzt wurde.

Man weiß heute, dass man sich auf französischer Seite um die noch im Herrschaftsbereich der Deutschen verbliebene französische Zivilbevölkerung nicht sonderlich viele Gedanken machte, vielleicht sogar tendenziell der Meinung war, dass manche der in und um Royan verbliebenen Zivilisten ihre nationale Pflicht nicht sehr ernst nahmen. Dazu kam auch wohl, dass die Zahl der noch unter deutscher Besatzung lebenden Franzosen kleiner angenommen wurde, als sie tatsächlich war.

Von französischer Seite wurde unter Ausnutzung geheimer Verbindungen in das besetzte Gebiet hinein immerhin versucht, die Zivilisten zum Verlassen der künftigen Kampfgebiete zu bewegen. Diese Bemühungen waren jedoch von nur geringem Erfolg. Viele der noch in Royan lebenden Franzosen konnten oder wollten sich nicht  vorstellen, dass angesichts des Kriegsverlaufs noch um Royan gekämpft werden würde.

Nach ursprünglichen Planungen sollte der Sturm auf die Festungszone um Royan schon im November 1944 gestartet werden. Da dies aus alliierter Sicht nicht vordringlich war, wurde der Angriff aus verschiedenen Gründen immer weiter hinausgeschoben. Dabei blieb Royan jedoch in der Liste der aus der Luft zu bekämpfenden Ziele. Dieser Umstand hatte für die Stadt verheerende Folgen, denn in den Morgenstunden des 5. Januar 1945 bombardierten in zwei Wellen viermotorige Lancasterbomber der RAF das Stadtgebiet von Royan. Unbeschadet späterer Beschwichtigungsversuche ist erwiesen, dass dabei das Stadtzenztrum von Royan bewusst als Ziel festgelegt wurde. Das war das Ende der Stadt Royan, so wie sie vor dem Krieg bestanden hatte. 442 Tote wurden unter den 2.223 in Royan zurückgeblieben Franzosen gezählt, dazu kamen 300 bis 400 mehr oder weniger schwer Verwundete. Die deutschen Truppen zählten 47 Gefallene. Die  in der Hand der Deutschen befindlichen militärischen Anlagen und Einrichtungen wurden durch diese Luftangriffe nicht in Mitleidenschaft gezogen. Von den rund 5000 Gebäuden des Stadtzentrums von Royan waren allerdings nur noch 200 unbeschädigt, die meisten waren total zerstört oder so schwer getroffen, dass sie  nicht mehr bewohnt werden konnten.

Statt der nach dem Bombardement allgemein erwarteten Offensive französischer Bodentruppen  geschah zunächst fast nichts. Erst im April 1945 wurde der Befehl zum Angriff gegeben, nachdem auf Seiten der Angreifer eine erdrückende Überlegenheit an Mannschaften und Waffen zusammengezogen worden war. Allein in den die Kämpfe am Boden unterstützenden Bomberverbänden standen mehr Soldaten als die deutschen Verteidiger der Festung zählten.

Zur Unterstützung der Bodentruppen wurden 4.000 Tonnen Bomben allein auf das Stadtgebiet von Royan abgeworfen. Zusätzlich wendeten die Amerikaner erstmalig in großem Stil Napalmbomben an, so dass am Ende der Kampfhandlungen zwar die deutschen Besatzer kapitulierten, dies aber auf einem gigantischen Schutthaufen, der einstmals eine blühende französische Stadt gewesen war. Auf deutscher Seite wurden 479 Gefallene gezählt, 4.600 deutsche Soldaten, von denen 200 verwundet waren, gerieten in Gefangenschaft. Auf Seiten der angreifenden Franzosen beklagte man 154 Gefallene und rund 700 Verwundete.

Auf das Gebiet in und um Royan sind bei den Kämpfen 153.500 Granaten abgefeuert worden und 10.000 Tonnen Bomben gefallen. Wenn man die Bilder von Royan aus der Zeit vor dem Krieg mit Abbildungen nach dem April 1945 vergleicht, muss man sich nicht wundern.

Mehr:

http://www.ville-royan.fr/histoire-de-royan.html?id=218

http://www.lacotedebeaute.info/article/le-bombardement-du-5-janvier-1945,495.php

http://www.ville-royan.fr/?page=culture/histoire/poche

http://www.ville-royan.fr/?page=culture/histoire/bombardement

http://www.ffi33.org/Bombardements/040145.htm

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Wir stellen einige Ansichten von Royan aus Vorkriegszeiten Aufnahmen aus den ersten Monaten des Jahres 1945 gegenüber.

Ruine des Casino Municipal, zu sehen ist der Mittelbau und der rechte Flügel

Das Casino Municipal vor der Zerstörung

Das Casino Municipal aus etwas anderer Perspektive

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Das Casino de Foncillon nach der Bombardierung

Dasselbe Casino um 1900

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Das zerstörte Stadtzentrum von Royan. Hinter den Platanen auf der linken Bildseite die Ruinen der Kirche Notre-Dame

Das Stadtzentrum vor den Bombenangriffen

Das Stadtzentrum vor der Zerstörung in etwas anderer Perspektive.


Luftaufnahme des Stadtzentrums nach der Bombardierung

Erst aus geringerer Höhe wird das Ausmaß der Zerstörungen richtig erkennbar.

Blick über das Zentrum in Richtung Hafen

Boulevard Gambetta 1945

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