Brion gallo-römisch

Das Médoc ist in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung ein Gebiet gewesen, in dem es eine Reihe gallo-römischer Gebäude und Anlagen gab, von denen heutzutage allerdings oberirdisch kaum noch etwas vorhanden ist. Zu den wenigen Stellen, an denen die Römerzeit direkt in Augenschein genommen werden kann, gehört die Ruinenstätte von Brion am Rand von Saint Germain d’Esteuil.

Die Ruinenstätte von Brion bei Saint-Germain d’Esteuil, im Halbrund unten im Bild das römische Theater, im oberen Teil der Standort des dort gefundenen Tempels

 

Die Ruinen von Brion sind im Bereich des Médoc die einzige allerdings beeindruckende Hinterlassenschaft einer städtischen Siedlung aus der Römerzeit. Die Stadt, deren Reste in Brion nachgewiesen werden können, wurde im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung an einer Stelle angelegt, an der schon lange Menschen, allerdings in kleineren Gruppen, gesiedelt hatten. Zu dieser Zeit sah das nördliche Médoc aber sehr viel anders aus als heute.

Die Karte zeigt die nördliche Hälfte des Médoc um Christi Geburt, die hier noch vorwiegend aus Inseln und Wasser besteht. Die rote Linie markiert den heutgen Küstenverlauf

Aus dieser Zeit sind nur wenige schriftliche Zeugnisse überliefert, so dass die heutige Kenntnis dieser Epoche fast ausschließlich von archäologischen Funden geliefert wurde. Die wenigen Text-Quellen, die sich aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung erhalten haben, wie etwa Briefe aus der Feder das Ausonius, erlauben es nur gelegentlich, exakte Lokalisierungen vorzunehmen. Dabei ist gesichert, dass es im Bereich des heutigen Médoc eine Reihe von wohlhabenden Gutsbesitzungen gegeben hat, von denen einige aussagekräftige Grabungsbefunden vorliegen. Allgemein ist aber zu sagen, dass von den Baulichkeiten aus der frühen gallo-römischen Zeit, also aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung, fast nur noch Grundmauen oder geringfügige Teile des aufgehenden Mauerwerks erhalten geblieben sind. Die Erklärung dafür ist prosaisch, aber einfach: Bauwerke aus der Römerzeit waren aus meist sorgfältig behauenen Steinen errichtet, die man in späteren Zeiten äußerst gern abtrug und als Baumaterial für andere, meist kleinere Gebäude verwendete. Der Respekt, den man heutzutage wie selbstverständlich den Zeugnissen der Vergangenheit entgegenbringt, ist eine Errungenschaft, die sich, beginnend mit dem 18. Jahrhundert, erst spät entwickelt hat.

Die Oberflächenbeschaffenheit der Gegend um Brion zur Römerzeit. Damals lag der Ort ein gutes Stück von der Gironde entfernt am Rand eines wassereichen Feuchtgebeites

Die erhaltenen Mauerreste und die Ausdehnung der Ruinen von Brion lassen erkennen, dass hier in der Römerzeit eine bedeutende städtische Siedlung gelegen hat, deren Namen sich allerdings nicht erhalten hat. Möglich, aber nicht sicher bewiesen, handelt es sich um das von antiken Geographen erwähnte Novio Magus, das einst einen direkten Zugang zu den Gewässern der Gironde hatte.

Die Grundmauern des Tempels, von dem man allerdings nicht genau weiß, welcher Gottheit er geweiht war.

Die Türschwelle zur Cella, dem Innenraum des Tempels, in dem ein Kultbild der dort verehrten Gottheit stand, der damit gleichsam dort wohnte. Den Innenraum duften nur die Priester betreten. Normal Sterbliche traten über Opfer mit der Gottheit in Verbindung, die auf einem im Außenbreich errichteten Altar vollzogen wurden.

Eine Rekonstruktionszeichnung des Tempels, die aus dem Befund der Grundmauern abgeleitet wurde.

Der Tempel wurde in mehreren Grabungskampagnen nach 1988 erforscht. Dabei wurden große Mengen von bemalten Putzstücken von den Wänden gesichert, sowie ein bronzener Widderkopf und ein kleiner Hahn aus Bronze. Nicht geklärt werden konnte bis jetzt, welcher Gottheit der Tempel geweiht war. Möglicherweise wurde an dieser Stelle Teutates verehrt, der bei den Galliern als Erfinder aller Künste galt, darüber hinaus aber für Dinge zuständig war, die bei den Römern Merkur oder bei den Griechen Hermes besorgte. und daneben unter anderem die Reisenden beschützte.

Der bei den Grabungen gefundene Widderkopf

 

Neben dem Tempel ist das in Brion gefundene Theater, das Platz für 2500 bis 3000 Zuschauer bot, das beeindruckendste Überbleibsel aus der gallo-römischen Frühzeit, das an dieser Stelle entdeckt wurde.

Das Theater mit den im Mittelalter eingefügten späteren Baulichkeiten

Die Dimensionen dieses Theaters, übrigens das einzige, aus der Römerzeit stammende im Médoc, unterstreichen die einstige Bedeutung von Brion und weisen andererseits daraufhin, dass die nähere Umgebung von Brion relativ dicht besiedelt war, denn warum hätte man sonst so viele Plätze in dem Theater vorgesehen.

Da das Gelände um das heutige Brion keine Möglichkeit bot, das Theater an einen Berghang anzulehnen, musste die gesamte Anlage aufgemauert werden. Hier sieht man ein römisches Gewölbe, über dem sich die Sitzreihen der Zuschauer befanden.

Der untere Teil der halbrunden Hinterwand des Theaters mit den Eingängen, hinter denen man die teilweise erhaltenen Treppen zum Zuschauerbereich erkennen kann.

Eine Rekonstruktionszeichnung des Theaters, die den baulichen Zustand zur Römerzeit zeigt.

 

In das Theater wurde im Mittelater eine befestigte Wohnanlage gebaut, für die recht respektlos Baumaterial aus dem nicht mehr genutzten Theater verwendet wurde. Den zentralen Teil dieser Anlage bildete ein Turm von  10 m Seitenlänge, der heute nur noch bis zu einer Höhe von gut 2 m erhalten ist.

Obwohl die antike Stadt, die sich an der Stelle des heutigen Brion befunden hat, eine erhebliche Ausdehnung und Bedeutung gehabt hat, wurden erst Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts Ausgrabungen vorgenommen, bei denen jedoch nur kleine Teile des einstigen Stadtgebietes intensiv erforscht wurden. Bei diesen Grabungen wurden Grundrisse verschiedener Gebäudetypen festgestellt.

 Grundmauern privat genutzter Gebäude

 

Auch hier ist eine Rekonstruktionszeichnung hilfreich, wenn man sich eine Vorstellung von den einstigen Gebäuden machen will.

Erste Besiedlungsspuren an der Stelle, an der die heute als Brion bekannten Ruinen aufgefunden wurden, gehen in die Zeit weit vor der Ankunft der Römer zurück. So wurden Pfostenspuren von Behausungen entdeckt und Reste einer bronzezeitlichen Metallverarbeitungswerkstatt, die erkennen lassen, dass die einstige Lage nahe am Wasser Vorteile bot, die die Menschen früherer Zeiten zu schätzen wussten.

 

Auf dem Gelände von Brion wurden in früheren Zeiten Mühlsteine gewonnen, die einen Durchmesser von 0,40 bis 1,30 m haben. Bislang fehlen Möglichkeiten zur exakten Datierung, so dass es als möglich angenommen wird, dass die Mühlsteine in einer Zeitspanne von Beginn der römischen Zeit bis in das Mittelalter gebrochen worden sind.

 

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