Bernos-Benon

 

Im Schatten der Druiden und der Tempelritter

Die Druiden und die Templer gehören zwei deutlich voneinander verschiedenen Epochen und Kulturen an, aber in zwei kleinen benachbarten Gemeinden des Médoc hat man die Möglichkeit, auf ihren Spuren zu wandeln, indem man auf einigen hundert Metern die Jahrhunderte durcheilt, die sie einst getrennt haben.

Fangen wir an mit dem Ort der Druiden. Um dorthin zu gelangen, muss man sich nach Bernos begeben, einer Gemeinde, die heute Teil von Saint-Laurent de-Médoc ist. Dort, rund dreihundert Meter entfernt von einer kleinen Straße, findet man die Quelle von Bernos, die einen kleinen Bach speist, der, selbst wenn er klein war; ein Hindernis darstellte für die mittelalterlichen Pilger. Zur Zeit der Druiden war die Quelle ein mystischer Ort, um den sich mehr oder weniger schöne und glaubwürdige Legenden rankten.

Die Quelle ist umgeben von einem Kreis behauener und sorgfältig gesetzter Steine, und an der Stelle, an der das Wasser aus der Quelle abfließt, um sich in den Bach zu ergießen, steht ein Bogen, dessen Erbauungsdatum man nicht kennt. Einerlei, wenn man in das Wasser der Quelle schaut, denkt man an anderes. Man sieht das rötliche Wasser mit Fäden darin, die an die Haare einer Prinzessin denken lassen, die in der Quelle ertrunken sein soll aus unbekannten Gründen und die durch ihr tragisches Ende der Quelle magische Kräfte verliehen hat. Daher kann man an die Quelle Wünsche richten, die dann entweder erfüllt werden oder auch nicht.

Für die Pilger des Mittelalters waren die Quelle und ihr Bach aber eher ein Hindernis, das man überwinden musste. Die erste Möglichkeit dazu fand sich nahe der Kirche von Benon. Ob sie es wollten oder nicht, die Pilger mussten dort die kleine Brücke benutzen. Nachdem sie dieselbe überquert hatten, wendeten sei sich nach links und erblickten eine Kirche, die nicht war wie die anderen. Sie war nicht groß, sie zeichnete sich nicht durch Zierrat oder  Geniestreiche eines erfindungsreichen Architekten aus, aber sie war von einer ansprechenden Einfachheit, die auch nach Jahrhunderten nichts von ihrer Anziehungskraft verloren hat.

Die Kirche, die man sehen wird, verdankt ihre Existenz den Templern, die sie gebaut haben, weil die ursprüngliche Kirche zu klein geworden war. Die Architektur der Templer folgt einigen einfachen Grundsätzen, die sich gut sichtbar in dieser Kirche verkörpern. Da ist zunächst einmal die gerade Abschlusswand des Altarraumes mit nur drei schmalen Fenstern, die sich dort erhebt, wo man üblicherweise runde Apsiden findet. Die Fenster stellen ein weiteres charakteristisches Merkmal dieses nüchternen Stils dar: ihre Zahl ist sehr beschränkt (in Benon gibt neun davon für das gesamte Bauwerk) und sie sind so schmal, dass ein bewaffneter Mann sich nicht durch die Fensteröffnung zwängen konnte. Und, nochmal zu den Fenstern: an der Nordseite gibt es keine, die Sonne scheint schließlich niemals im Norden. Die Südseite hingegen hat die größte Zahl: fünf, davon drei nahe dem Altar.

Die Bauweise der Templer, die  sich in klarer und reiner Weise in Benon zeigt, war auf Sammlung und Einkehr ausgerichtet: Die Kirche war der Ort, an der der Mensch sich Gott näherte und wo all das nicht geduldet wurde, was ihn von erbaulichen Gedanken hätte ablenken können. Diese Haltung erklärt die fast vollständige Abwesenheit von Verzierungen, Schmuck, Statuen innerhalb und außerhalb der Kirche. Nur an einigen wenigen Stellen gibt es einige kleine Ausnahmen von dieser Regel. Man könnte sagen, dass man den Steinmetzen und Maurern, die zeigen wollten, wozu sie fähig waren, ein wenig  Freiraum geben musste.

Die Einladung zur Sammlung und zur Einkehr, die von der Architektur dieser kleinen nüchternen und strengen Kirche ausgeht, gilt noch immer. Wenn man will, hört man sie heute noch dort, „die Stimmen der Stille“ (François Mauriac).

 

Die Fontaine de Bernos, auf die hier hingewiesen wird, und die Kirche von Benon haben eigentlich nicht viel miteinander zu tun; sie sind aber doch dadurch miteinander verbunden, dass der Bach, der auch von der Fontaine de Bernos gespeist wird, ein natürliches Hindernis für die Pilger auf ihrem Weg nach Santiago de Compostella darstellte, das erst an der Kirche von Benon auf einer kleinen Brücke überquert werden konnte.

 

Der Bach hnter der Fontaine de Bernos

 

Der Abfluss der Fontaine de Bernos. Die Fontaine war in keltischer Vorzeit ein kultischer Platz, dem allerhand magische Kräfte zugeschrieben wurden. Die steinerne Einfassung ist nicht genau zu datieren, sie reicht aber weit zurück. Besonders der Rundbogen betont die kultische Bedeutung der Anlage.

 

Blick auf das stark eisenhaltige Wasser und (rechts im BIld)  die langfaserigen Algen, die in diesem Wasser gedeihen. Auch mit diesen Algen verbinden sich mancherlei mythische Überlieferungen. So wird erzählt, dies seien die langen goldfarbenen Haare einer Prinzessin, die, aus welchen Gründen auch immer, in der Fontaine zu Tode gekommen sei. Genaues weiß man aber nicht, ebenso ist nicht ganz sicher, mit welchen Nöten man sich mit Aussicht auf Erfolg an die Fontaine wenden kann.

 

Wer weiter wollte, brauchte eine Brücke, und die fand er erst bei der Kirche von Benon, etwa dort, wo auch heute ein kleiner Steg den Bach überquert.

 

Wenn man den Übergang geschafft hatte und den Blick nach links wendete, sah man die Kirche von Benon, wobei es genauer wäre, wenn man von den Kirchen von Benon spräche.

 

Die Ostfassade der Kirchen von Benon, rechts die kleinere und ältere, um 1150 im reinsten romanischen Baustil errichtet, links davon die ein paar Jahrzehnte jüngere zweite und  größere Kirche. Typisch für die Architektur der Templer war es, keine gerundeten Chor- oder Apsisteile an ihre Kirchen anzufügen, sondern schmucklose glatte Abschlusswände zu errichten. Typisch auch die drei schmalen hohen Fenster über dem Altar.

 

Die Südseite. Die rechts von der Mitte zu sehende Tür ist später hinzugefügt worden. Orignal sind hingegen die fünf schmalen Fenster, die hauptsächlich die Belichtung des innenraumes besorgten.

 

Die Westfassade. Links im Hintergrund die kleinere ursprüngliche Kirche, deren Ostseite weiter oben schon zu sehen war.

 

Trotz des Verzichts auf architektonische Spielereien ein beeindruckendes Portal. Darüber eine Reihe von teilweise verzierten Kragsteinen, im Französischen modillions.

 

Der Glockenturm von der Westfassade her gesehen

 

Die schmuck- und fensterlose Nordfassade

 

Ganz gelegentlich, fast schon versteckt, doch ein paar verzierende Elemente.

 

Zwei unterschiedlich gut erhaltene modillions. Zu sehen sind Kleriker, deren Rang durch den im unteren Bild noch gut sichtbaren Krummstab angezeigt wird.

 

Ein beziehungsreich auf die Lage der Kirche an einem der Stränge des Jakobsweges hinweisendes modillion

 

Noch zwei modillions, oben ein Lamm, unten ein Esel, der eine Hostie verschlingt

 

Der schlichte aber beeindruckende Innenraum

 

Eine der fünf Fensteröffnungen der Südwand: Bewusst so klein dimensioniert, dass kein Mann in kriegerischer Ausrüstung hindurchpasste, andererseits aber so prakitsch bedacht, dass die schrägen Innenflächen der Fensteröffung so viel Licht wie irgend möglich in die Kiche eindringen ließen.

 

Und noch ein Blick nach außen auf die Nordseite der Kirche. Im rechten unteren Teil sind zwei halkreisförmige Nischen zu sehen, in denen früher Sarkophage standen, die die Gebeine von Verstorbenen aufgenommen hatten, die in einer besonderen Beziehung zu dieser Kirche gestanden hatten. In der linken Bildhälfte sind auf halber Höhe Kragsteine zu sehen, die einstmals die Auflage für Balken bildeten, die zu Gebäuden gehörten, die an die Kirche angebaut waren. Ursprünglich bidete die Kirche den religiösen Kern einer Commanderie der Templer, die ähnlch wie eine mittelalterliche Klosteranlage einen auf Selbstversorgung angelegten landwirtschaftlichen Betrieb  umfasste. Die früher dazu gehörenden Gebäude sind verschwunden, sie wurden nach dem Niedergang der Templer als Steinbruch genutzt.