Historische Karten

 

Für den modernen Menschen sind Landkarten ein Gebrauchsgut, das oft nicht besonders geachtet wird. Früher war dies anders, denn da stellten Karten Kostbarkeiten dar, die sich nur wenige leisten konnten. Gelitten hat darunter allerdings wohl nur selten jemand, denn in Zeiten, in denen die Menschen kaum aus dem Geburtsort herauskamen, bestand auch wenig Nachfrage nach Dingen, deren Nutzen nicht leicht zu bestimmen war.

Wir wollen in der Folge vornehmlich Karten vorstellen, die das Médoc zeigen. Dabei wollen wir chronologisch vorgehen. Wir beginnen nach einem Blick auf eine spätmittelaterliche Karte mit dem 17. Jahrhundert.

Die vor 1300 entstandene Ebstorfer Weltkarte gibt dem modernen Betrachter mancherlei Rätsel auf. Dem Urheber der Karte ging es offensichtlich weniger um die Verdeutlichung geographischer Gegebenheiten als um die Darstellung des historischen, mythologischen und theologischen Wissens der damaligen Zeit. In der Mitte der Karte befindet sich Jerusalem. Europa ist im linken unteren Viertel zu sehen.

Ein Teil der Darstellung Westeuropas, das mit modernen geographischen Vorstellungen schwer in Einklang zu bringen ist. Für den mittelaterlichen Betrachter, der sich die Erde noch als Scheibe vorstellte, mochte dies aber anschaulich genug sein, zumal kaum jemand mit einer solchen Karte in der Kand nachschauen konnte, wie es in entfernten Weltgegenden um die Geographie stand.

 

Karten des Médoc

1) Karten für die Zeit vor dem 16. Jahrhundert

zit. nach : Buffault, Pierre, La Côte et les Dunes du Médoc, Souvigny, 1897, p. 13

Eine Karte, die vielfach nachgedruckt wurde, meist ohne exakte Quellenangabe. Gezeigt wird der nach dem Forschungstand gegen Ende des 19 Jahhunderts ermittelte Zustand des Médoc vor dem Erdbeben von 580. Das Plateau von Cordouan gehört noch zum Festland, und die Küstenlinie an der Ozeanseite verläuft deutlich weiter westlich als heutzutage. An der Girondeseite ist die Küstenlinie noch sehr zerklüftet. Sie wird erst mit den Eindeichungen im Rahmen der Trockenlegungen im 16. und 17. Jahrhundert begradigt und geschlossen. Weiter fällt auf, dass der Dünenwall im Westen noch nicht vorhanden ist. Folglich können mehrere kleine Flüsse ihr Wasser noch direkt in den Atlantik abführen. Gepunktet eingezeichnet sind die Küstenlinien vom Ende des 19. Jahrhunderts und die Seen von Hourtin und Lacanau.

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2) Karten aus dem 16. Jahrhundert

Nachzeichnung einer Karte, die auf die Cosmographie des Jean de Saintonge zurückgeht, die 1545 abgeschlossen wurde. Osten ist hier oben. Gezeigt wird die Mündung der Gironde. Auf der Karte rechts ist Soulac verzeichnet (hier Sulac), direkt daneben der Vorläufer des Phare de Cordouan, der hier noch auf einer relativ geräumigen Insel steht.

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3) Das Médoc in Karten aus dem 17. Jahrhundert

Eine Karte aus den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts, die geostet ist, das heißt, Osten ist auf dieser Karte oben. Die heutzutage übliche Nordung von geographischen Karten hat sich erst später durchgesetzt.

Diese um 1635 entstandene Karte ist genordet, sie zeigt die Nordspitze des Médoc. Es fällt unter anderem auf, dass die Garonne bis zur Einmündung in den Atlantik reicht und dass um den Leuchtturm von Cordouan noch eine  Insel von beachtlicher Größe besteht.

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Pierre Duval, vor 1650

Auch diese Karte ist genordet, sie ist vor 1650 entstanden und zeigt die Rivière Garonne, die auch hier bis zur Einmündung in den Atlantik reicht.

Ausschnitt aus der vorigen Karte. Wenn man von modernen Karten ausgeht, wird ein in vieler Beziehung ungewöhnliches Bild von der Topographie des Médoc  vermittelt. Am rechten unteren Rand der Umriß von Bordeaux.

Bordeaux um 1650 in der Karte des P. Duval

Bordeaux und Umgebung. Die Gemeinden um Bordeaux sind alle noch da, doch sind sie heute im Stadtbild des Gemeindeverbandes Bordeaux weitgehend aufgegangen.

Detail aus der eben gezeigten Karte. Zu sehen ist der Grundriss der Stadtmauern von Bordeaux vor 1650, der hier anders ausgerichtet ist als auf der größeren Karte. Die östliche Seite ist hier oben. Am linken oberen Rand das nicht mehr existierende Château de la Trompette, das 1818 abgerissen wurde. Es befand sich dort, wo heute die Esplanade des Quinconces liegt.

Das Zentrum von Bordeaux. Zu sehen sind zwei kleinere Gewässer, nach heutiger Schreibweise La Devèze und Le Peugue, die inzwischen weitgehend verrohrt und unter die Erde verlegt worden sind. Am unteren rechten Rand dieses Ausschnittes ist das Château du Hâ zu sehen, dessen Reste heute in der Nähe des Justizpalastes zu besichtigen sind. Oben in der Bildmitte ist die Porte de Cailhau zu sehen, die auch als Porte du Palais bezeichnet wird. Sie hat ihre ursprüngliche Gestalt in die heutige Zeit gerettet.


Eine in vielen Drucken verbreitete Karte von 1640, die in ursprpünglich schwarz-weißer Ausführung und unterschiedlich koloriert existiert.


Dieselbe Karte von 1640, Ausschnitt


Karte von 1640, weiter vergrößerter Ausschnitt. Es fällt auf, dass diese Karte mancherlei Übereinstimmungen mit der Karte von P. Duval aufweisst, dabei aber ebenfalls mit der Topographie recht großzügig verfährt. Besonders die Darstellung des nördlichsten Teil des Médoc weicht von der Realität einigermaßen ab.

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Le Neptune Français, Paris 1693

Eine Karte aus dem  Neptune Français ou Atlas nouveau des cartes maritimes, Paris 1693, die qualitaiv alle bisherigen Karten überragt.

 

Das Médoc aus demselben Werk, diesmal geostet.

 


Die Vergrößerung zeigt, dass an der nördlichen Spitze des linken Ufers der Gironde noch ausgedehnte Sumpfzonen bestehen. Grayan und L’Hôpital sind schon eingetragen

 

Noch etwas größer

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4) Karten aus dem 18. Jahrhundert

Karte des nördlichen Médoc von 1714. Diese um einiges jüngere Karte zeigt eine recht wirklichnahe Gestalt der nördlichen Spitze des Médoc. Die auffällig eingetragene Bezeichnung „Petite Flandre de Médoc“ erinnert daran, dass holländische Fachleute  in der Zeit nach 1650 sich um die Trockenlegung der Girondeseite des nördlichen Médoc verdient gemacht haben. Erst seit ihren Arbeiten sind die fruchtbaren „mattes“ hinter den Deichen landwirtschaftlich wertvolles Land.
Wenn man die verschiedenen Karten, die hier zusammengestellt sind, miteinander vergleicht, fällt auf, dass sie nach heutigen Maßstäbe an manchen Stellen die Oberflächengestalt der dargestellten Gebiete nur ungenau wiedergeben. Bisweilen kann man gar entdecken, wer sich von wem inspirieren ließ. Derlei Übernahmen waren bis in die frühen Jahre des 18. Jahrhunderts verbreitet, da die Kartenzeichner nur selten Regionen aus eigener und präziser Kenntnis der Örtlichkeiten darstellen konnte. Das meiste holte man sich ungeniert aus anderen Karten, und wenn es dabei Unstimmigkeiten gab, dann versuchte man, so gut es ging, entweder einen Mittelweg zu finden oder das zu übernehmen, was am plausibelsten erschien. Erst im 18. Jahrhundert wurden neue Standards für die Qualität geographischer Karten üblich, und das wird im nächsten Kapitel dieser Seite gezeigt werden.

Karte 1735


Diese Karte gibt einige Einblicke in die Oberflächenbeschaffenheit des nördlichen Médoc um 1735. Dabei fällt u.a. auf, dass die gesamte Küste südlich von Soulac als Sandwüste gezeigt wird, in der es keine Ansiedlungen gibt. Die finden sich hingegen auf der der Gironde zugewandten Seite des Médoc. Weiter fällt auf, dass noch nicht festzustehen scheint, ob die Mündung von Garonne und Dordogne nun Gironde oder Garonne heißen soll. 

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Eine Karte von 1785, die es vor allem darauf abgesehen hat, die Nordspitze des Médoc und das gegenüberliegende Girondeufer darzustellen.

Ein Ausschnitt, der die Pointe de Grave und Umgebung zeigt

Die Nordspitze des Médoc und die Gegenküste von Royan bis Meschers

Die westl. Küste des nördlichen Médoc und die davor liegenden Sandbänke


Und noch ein Ausschnitt: diesmal vom Phare de Cordouan zur Pointe de la Coubre

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5) Karten aus dem 19. Jahrhundert

a) Ausschnitte aus der von 1820 bis 1866 enstandenen Generalstabskarte, die erstmals auf eine systematische Aufnahme und Landvermessung gestützt ist. Die Zuverlässigkeit dieser Karte übertrifft alles, was bis dahin erhältlich war.


Der Küstenstreifen von dem heutigen Euronat (unten in dem gezeigten Ausschnitt) bis Le Gurp (oben). Im Hinterland sind zu sehen L’Hôpital und Grayan. Es fällt auf, dass der Dünenstreifen an der Küste noch in einem sehr natürlichen Zustand ist. Die eingetragenen schwarzen Linien sind unbefestigte Fußwege und Pfade. Außer einer im Bereich des heutigen Euronat angezeigten Fischerhütte gibt es an der Küste noch keine Bebauung.


Der Küstenabschnitt südlich von dem oben gezeigten Ausschnitt. Am rechten Bildrand sieht man Vendays, nordwestlich davon Mayan. Montalivet existiert noch nicht als Ort. Eingetragen ist aber die (Lède) de Montalivet. Auffällig, dass die zwischen Vendays und dem heutigen Montalivet eingetragenen Feuchtzonen deutlich größer sind als heutzutage.

b) Karte des Médoc um 1860

Eine der letzten Karten des Médoc vor Bau der Eisenbahn

c) Ausschnitte einer Generalstabskarte, die auf der vorhergehenden beruhte, aktualisert bis 1888

Der Küsteabschnitt von Montalivet bis zur Pointe de la Négade


Von der Pointe de la Négade bis zum Bereich des heutigen Euronat, wo sich damals nur eine Fischerhütte befand.

 


Die Anfänge von Montalivet. In Strandnähe sind die ersten Häuser eingetragen.


Saint Vivien und der Port de Saint Vivien

c) Ausschnitte aus einer Karte, die das französsiche Innenministerium 1890 drucken ließ


Der nordwestliche Teil der Karte, der die Küste von Soulac bis einige Kilometer südlich von Montalivet zeigt.

Ausschnitt: Le Gurp im Norden und südlich von Montalivet. Es fällt auf, dass die Küstenlinie zahlreiche mehr oder weniger große Einbuchtungen aufweist.

Ausschnitt: Im unmittelbaren Küstenbereich gibt es noch keine Straßen. Das heutige Euronat-Gelände befindet sich dort, wo auf der Karte der Eintrag Mât de la Pinasse zu finden ist.

Soulac: Direkt am Atlantik: Soulac-les-bains, landeinwärts: Soulac (heute: Le Jeune Soulac). Südlich von Soulac-les-bains gibt es bis Montalivet noch keine Bebauung.

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d) Eine englischen Karte, die das CLARET WINE COUNTRY zeigt

Eine recht zuverlässige Karte, die 1888 in England erschienen ist. Man kann gut erkennen, dass es in den dem Ozean zugewandten küstennahen Bereichen sehr wenig Verkehrswege gibt. Der Tourismus, der sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts  zaghaft zu entwickeln beginnt, zeigt noch keine auf die Landkarte durchschlagenden Auswirkungen.

6) Karten aus dem 20. Jahrhundert


Ausschnitte aus einer deutschen Generalstabskarte von 1941

Diese vom deutschen Generalstab herausgegebene Karte erschien 1941. Sie ist aber keine Neuaufnahme, sondern eine überarbeitete Fortschreibung französischer Karten, die auf Aufnahmen des 19. Jahrhunderts beruhten. Hier ist ein Teil des Kartenblatts Lesparre wiedergegeben.

Der Küstenabschnitt von der Pointe de la Négade bis Montalivet. Es gibt wie seit alters her kaum Verkehrswege, die diesen weitgehend menschenleeren Dünenbereich erschließen.

Der Küstenbereich von Le Gurp bis etwas südlich vom heutigen Euronat. In der nördöstlichen Ecke des Ausschnitts sieht man Grayan, südlich davon, nahe dem Kartenrand, L’Hôpital. Etwa im Zentrum den heute noch bestehenden Etang de la Barreyre. Euronat befindet sich an der Stelle, an der die Karte eine Cabane de pêcheurs, eine Fischerhütte, verzeichnet.

Lesparre und Umgebung. Das eingetragene Straßennetz ist bis heute kaum verändert. Geändert hat sich die Situation der Eisenbahn. Der hier nordwestlich von Lesparre beginnende Abzweig, der über Hourtin nach Lacanau und noch weiter südlich führte, ist stillgelegt und demontiert worden.

Pauillac und die davor liegenden Inseln und Sandbänke, deren Form und Ausdehnung sich in den zurückliegenden Jahrzehnten deutlich geändert hat.