Idiomatisches

Idiomatische Ausdrücke und Redewendungen

 

Wenn man einen Text Wort für Wort und ohne großes Federlesen von einer Sprache in eine andere transportieren könnte, dann gäbe es längst Computerprogramme, die das mit Glanz bewerkstelligten. Dass das nicht oder nur sehr unvollkommen geht, liegt daran, dass in allen Sprachen Bilder, Wendungen, Ausdrücke verwendet werden, die nicht Wort für Wort übersetzt werden können und dann in der Zielsprache auch wirklich verstanden werden.

Im Französischen hat man zum Beispiel keine Gänsehaut, sondern eine Hühnerhaut, wenn man fröstelt oder es irgendwie kalt und ungemütlich ist. Im Französischen ist es auch nicht saukalt, sondern entenkalt, warum auch immer. Die Liste solcher Phänomene lässt sich schnell verlängern. Daher halten wir es für alle an der  französischen Sprache Interessierten, die vom Deutschen ausgehen, für nützlich, eine Rubrik aufzumachen, in der wir idiomatische Wendungen und Ausdrücke sammeln und, falls notwendig, erläutern. Unnötig zu sagen, dass die Verwendung solcher Ausdrücke durch einen Ausländer jeden Franzosen glauben lässt, er habe ein Sprachgenie vor sich, dem man umgehend und gern die heftigsten Komplimente macht.

Um weitere Theorie zu ersparen, fangen wir gleich an, dann wird klar, was wir vorhaben. Wir präsentieren erst die französische Wendung und geben dann die deutsche Entsprechung oder eine Erklärung an. Die neuen „Lieferungen“ stehen immer an erster Stelle:

(Hinweis: qn steht in der Aufstellung abgekürzt für quelqu’un = jemand; qc für quelque chose = etwas)

 

dans le plus simple appareil – im Adamskostüm, splitterfasernackt

Der Ausdruck ist schon seit dem Mittelater im Französsichen nachzuweisen, er geht auf das lateineische Verb apparere – vorbereiten, herrichten zurück. Wer also in dem plus simple appareil einherkommt, hat sich auf die einfachste Weise herausgeputzt, er  ist nackt.

 

une offre, promesse de Gascon – ein leeres Versprechen

Der Ausdruck ist im 16. Jahrhundert entstanden, zu einer Zeit, in der die Gascogne, also der Südwesten Frankreichs, in dem Ruf stand, besonders mutige und gute Soldaten hervorzubringen. Die wussten allerdings um ihren Ruf und nahmen nicht selten den Mund etwas zu voll, so dass sich die Meinung bildete, dass man ihnen besser nicht uneingeschränkt vertrauen sollte.

 

par l’opération du Saint Esprit – durch Einwirkung des Heiligen Geistes.

Wenn der Heilige Geist ins Spiel kommt, ist man auf biblischem Gelände, und hier speziell bei Maria, der künftigen Mutter des Jesus-Kindes. Maria soll exakt neun Monate vor der Geburt ihres Kindes vom Erzengel Gabriel aufgesucht worden sein, der ihr verkündet haben soll, dass sie die Mutter eines ganz besonderen Erdenbürgers werden würde. Da Marie dem Joseph zwar versprochen war, aber noch nicht mit ihm zusammenlebte, war das natürlich nicht unproblematisch. Na ja, da man weiß, wie es weiterging, ist auch klar, was der Heilige Geist in der Angelegenheit zu suchen hat.

 

entre chien et loup – im Zwielicht der Abenddämmerung.

Schade, dass sich der französische Ausdruck im Deutschen nicht plastischer wiedergeben lässt. Gemeint ist die kurze Zeitspanne vor dem richtigen Dunkelwerden, wenn man einen Hund (chien) nicht von einem Wolf (loup) unterscheiden kann. Der Ausdruck ist seit dem 12. Jahrhundert im Französischen nachweisbar, er hat aber viel ältere Vorfahren, die im Hebräischen bis in das zweite Jahrhundert v. Chr. zurückreichen. Auch die Römer hatten Gefallen an dem Ausdruck, bei ihnen hieß das natürlich „inter canem et lupum“

 

système D – einer der vielen Ausdrücke, die sich nicht buchstabengetreu übersetzen lassen. Gemeint ist etwas, das dem deutschen Ausdruck „Trick 17“ entspricht, also eine Verfahrensweise unkonventioneller Art zur Lösung von Problemen, die ansonsten nicht zu bewältigen wären. So heißt denn mit gutem Grund ein Heinwerkermagazin schlicht „Système D“

poser un lapin à qn – jdn versetzen, nicht zu einem Treffen kommen

se faire la belle [arg.,fam.] – ausbüxen

dormir à la belle étoile – unter freiem Himmel schlafen

à bout de bras – mit gestreckten Armen;

qn porte qn/qc à bout de bras – jd nimmt sich jds/einer Sache an;

donner un coup de main à qc – jd greift jdm/einer S. unter die Arme;

qn se met /est sur son trente et un – jd wirft sich in Schale

qn n’a pas froid aux yeux – jd hat keine Angst

à l’œil nu – mit bloßem Auge

sous les yeux de qn – vor jds Augen

qn ouvre des yeux ronds – jd macht große Augen

_________________________________

qn a qn sur le dos – jd hat jdn am Hals –

qn se jette à la tête de qn – jd wirft sich jd an den Hals

qn est aux anges – jdm hängt der Himmel voller Geigen

qn remue ciel et terre – jd setzt Himmel und Hölle in Bewegung

qn est tiré(e) à quatre épingles – jd ist wie aus dem Ei gepellt

qn tire son épingle du jeu – jd zieht sich geschickt aus der Affäre

______________________

à la belle étoile – unter freiem Himmel

bon sang! – um Himmels Willen!

loin des yeux, loin du coeur – aus den Augen, aus dem Sinn

de deux choses l’une – eins von beiden

Faire les cent pas – auf und ab gehen

Faire le deuil de qc – etw abschreiben, sich endgültig von etw trennen

_________________

c’est [toujours] le même tabac (fam) – es ist immer das alte Lied /die alte Leier

Ce sont des choses du même tabac. – Das sind Dinge, die letztendlich alle gleich sind

qn fait un tabac (fam) – jd hat einen Bomben- /Riesenerfolg

qn passe qn à tabac (fam) –  jd schlägt jdn zusammen

____________________

Il fait un froid de canard – Es ist saukalt (wörtlich eigentlich: Es gibt eine Entenkälte)

J’ai la chaire de poule – Ich habe eine Gänsehaut (wörtlich: Ich habe eine Hühnerhaut)

Ne mettons pas tous nos œufs dans le même panier. – Setzen wir nicht alles auf eine Karte (wörtlich : Lasst uns nicht alle Eier in einen Korb legen).

Une fois n’est pas coutume. – Einmal ist kein Mal.

Jamais deux sans trois. – Aller guten Dinge sind drei.

Lever le pied – wörtlich: den Fuß heben, im übertragenen Sinne: langsamer werden, verlangsamen (beim Autofahren: weniger Gas geben), sich bei einer Aktivität weniger anstrengen

(Fortsetzung folgt)